Inkassoabrechnung bei vorsteuerabzugsberechtigten Mandanten
Das Dreiecksverhältnis zwischen Schuldner, Gläubiger und Inkassodienstleister ist komplex und daher erklärungsbedürftig. Mit unserer Kurzserie „Inkassoabrechnung“ beleuchten wir potenziell missverständliche Details im Inkassoprozess. Dieser erste Beitrag beschäftigt sich insbesondere mit dem Prozedere bei vorsteuerabzugsberechtigten Mandanten.
Für Unsicherheit sorgt vor allem die Komplexität des Steuerrechts. Gerade bei juristischen Dienstleistungen sind die Finanzämter involviert, wodurch die Dreiecksbeziehung Gläubiger/Mandant/Inkassodienstleister erheblich beeinflusst wird. Um die genaue Beschaffenheit der Geschäftsbeziehungen zu durchschauen, ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, wer wem was schuldet.
So schuldet zunächst der Gläubiger seinem Schuldner die Erbringung einer Leistung (Lieferung einer Ware oder Dienstleistung). Ist diese erbracht, schuldet der Kunde dem Gläubiger Geld. Wird ein Inkassodienstleister hinzugezogen, ist dieses Verhältnis gestört. Nun ergibt sich ein zweites Schuldverhältnis zwischen Gläubiger (Inkassomandant) und Inkassobüro. Hier schuldet der Inkassodienstleister dem Gläubiger, also seinem Mandanten, die Eintreibung der Schuld des säumigen Zahlers. Die Schuld des Inkassodienstleisters ist also die Erbringung einer Dienstleistung. Für diese Dienstleistung wiederum schuldet der Gläubiger dem Inkassodienstleister eine Inkasso(dienstleistungs)gebühr. Das dritte Schuldverhältnis ist indirekter Natur. Es ergibt sich daraus, dass die Inkassogebühr, die der Gläubiger an den Inkassodienstleister zu zahlen hätte, eigentlich als Verzugsschaden vom Gläubiger an den Schuldner berechnet werden müsste. Insofern ergibt sich das Schuldverhältnis zwischen Inkassodienstleister und Schuldner indirekt, weil die Gebühren des Inkassodienstleisters direkt an den Schuldner berechnet werden, da diese ihm ohnehin nach erfolgreicher Beitreibung der Schuld aus dem ersten Schuldverhältnis zufallen würden.
Theoretisch besteht sogar noch ein viertes Schuldverhältnis, jeweils zwischen Finanzamt und Inkassodienstleister bzw. vorsteuerabzugsberechtigtem Gläubiger. Für die durch das Inkassounternehmen erbrachte Dienstleistung schuldet das Inkassounternehmen dem Finanzamt nämlich Umsatzsteuern in Höhe von 19 Prozent auf diese Dienstleistung. Gleichzeitig schuldet das Finanzamt dem Gläubiger die von diesem zu entrichtenden Mehrwertsteuern auf die Inanspruchnahme der Inkassodienstleistung als Vorsteuerabzug. Das bedeutet, dass das Finanzamt die Steuerschuld im (separaten) Schuldverhältnis Gläubiger/Inkassodienstleister/Fiskus lediglich verwaltet und für eine korrekte Steuerabrechnung verantwortlich ist.
Rechtsgrundlage
Die juristische Grundlage der Nichterstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer bei vorsteuerabzugsberechtigten Inkassomandanten ist eine Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 06.03.1990. Dieser erkennt, dass „Mehrwertsteuer auf Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig ist, wenn die erstattungsberechtigte Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist […]“. Im Leitsatz der Entscheidung heißt es wörtlich:
„Der Kostenpflichtige [der Schuldner] hat die dem Prozessbevollmächtigten [dem Inkassodienstleister] des Erstattungsberechtigten [des Gläubigers] zu zahlende Umsatzsteuer dann nicht zu erstatten, wenn sie der Erstattungsberechtigte als Vorsteuer abziehen kann.“
Davon tangiert werden Inkassokosten gleichermaßen. Ist der Inkassomandant nämlich vorsteuerabzugsberechtigt, kann die Mehrwertsteuer auf die Inkassogebühren nicht vom Schuldner verlangt werden. Dies würde „zu einer unbilligen Belastung des Ersatzpflichtigen führen“, wie es in der Entscheidungsbegründung des BFH heißt. Andersherum formuliert kann man auch sagen: Würde die Mehrwertsteuer auf die Inkassodienstleistung vom Schuldner eines vorsteuerabzugsberechtigten Gläubigers verlangt, würde dieser zu viel bezahlen und dem Gläubiger entstände über die Beitreibung der Schuld ein ungerechtfertigter Wirtschaftsvorteil. Der vorsteuerabzugsberechtigte Gläubiger hat dementsprechend eben keinen ersatzpflichtigen Verzugsschaden aus der auf die Beauftragung eines Inkassodienstleisters entfallenden Mehrwertsteuer. Er ist ja durch seine Vorsteuerabzugsberechtigung gar nicht mit den entsprechenden Steuern belastet.
Der Zeitpunkt der Fälligkeit des Vorsteuerabzugs spielt dabei keine Rolle. Laut BFH-Entscheidung kann er nicht „als ein von der Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer „getrennt verlaufendes Ereignis“ angesehen werden; er [der Zeitpunkt] ist – soweit sich der Leistungsaustausch im unternehmerischen Bereich abspielt – dieser Zahlungsverpflichtung stets und von vorn herein immanent“.
Veranschaulicht wird diese Regelung anhand eines Fallbeispiels.
Fallbeispiel
Kunde V. bestellt bei der G-GmbH Waren im Wert von 1.000 Euro. Nach Ablauf der Zahlungsfrist gerät Kunde V. in Verzug, weil er nicht bezahlt hat. Kunde V. wird zu Schuldner V. Zur Beitreibung ihrer offenen Forderung beauftragt die G-GmbH den Inkassodienstleister P. Inkassodienstleister P mahnt Schuldner V, die Hauptforderung seines Mandanten G-GmbH nebst seiner eigenen(Netto-) Inkassogebühr zu bezahlen. Für dieses Beispiel sei die Inkassogebühr 100 Euro. Schuldner V erhält also vom Inkassodienstleiser P eine erste Mahnung über 1.100 Euro. Schuldner V bezahlt den offenen Betrag von 1.100 Euro an den Inkassodienstleister P, der eine Mitteilung an seinen Mandanten G-GmbH herausgibt, die Forderung sei erfolgreich realisiert. Im Anschluss überweist Inkassodienstleister P 981 Euro an seinen Mandanten G-GmbH.
Ein Auszahlungsbetrag kleiner als die realisierte Hauptforderung kann hier irritieren. Denn auf den ersten Blick fehlen hier 19 Euro zur Hauptforderung. Dies sind genau die 19% Mehrwertsteuer, die der Inkassodienstleister P auf seine Inkassoleistung an den Fiskus abzutreten hat. Über seinen Vorsteuerabzug erhält der Mandant, die G-GmbH, die 19 Euro, sprich die „fehlenden“ 19% auf die 100 Euro Inkassodienstleistungsgebühr, vom Fiskus zurück. Somit ist seine Forderung in voller Höhe erbracht und er kann die gesamten 1.000 Euro als realisiert betrachten.
Verzugsschaden
Hintergrund dieser Regelung ist, dass dem Gläubiger durch einen säumigen Kunden selbstverständlich ein Verzugsschaden entsteht. Dieser entsteht hier beispielsweise durch die Notwendigkeit zur Beauftragung des Inkassodienstleisters, der für seine Leistung Gebühren verlangt. Theoretisch müsste der Inkassomandant, der ja den Dienstleistungsvertrag mit dem Inkassodienstleister schließt, diese Gebühr tragen. Nachdem sie ihm ja aber nur aufgrund der Zahlungssäumnis entsteht, könnte sie im Nachgang der erfolgreichen Beitreibung der Hauptforderung ohne hin als Verzugsschaden vom Schuldner verlangt werden. Insofern sparen sich Inkassodienstleister und Gläubiger einen komplizierten Umweg, indem Inkassogebühren direkt mit der Hauptforderung an den säumigen Kunden faktorisiert werden. Im Gegensatz zu den Nettoinkassogebühren stellen die darauf entfallenen Steuern jedoch keinen solchen Verzugsschaden dar, weil sie über den Vorsteuerabzug an den Gläubiger zurückkommen.
Die hier beschriebene Regelung inkl. des Fallbeispiels bezieht sich nur auf gewerbliche Mandanten von Inkassodienstleistern und geht zudem von einem Idealfall aus, in dem keine Verzugszinsen entstehen. Die Themen Inkassoabrechnung bei nichtvorsteuerabzugsberechtigten Mandanten und Verzugszins als Inkassoprovision sind Themen kommender Blogbeiträge dieser Kurzserie.
Fazit
Die Rechnung des Inkassodienstleisters an seinen Mandanten nach erbrachter Leistung, sprich der Beitreibung der offenen Forderung beim Schuldner bestehst genaugenommen aus zwei gedachten Teilen: einer Abrechnung über die Durchleitung des realisierten Fremdgelds und einer Rechnung für die erbrachte Dienstleistung. Diese beiden Teilrechnungen über jeweils ein Guthaben und eine Schuld beim Dienstleister werden lediglich miteinander verrechnet und aus abrechnungstechnischen Gründen in einem Blatt ausgewiesen.