30 Jahre bedeuten auch 30 Jahre!
30 Jahre – so lange sind nach geltendem Recht titulierte Forderungen gültig und auch in vollem Umfang vollstreckbar. Dass 30 Jahre auch wirklich 30 Jahre bedeuten, bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Oktober mit einem Urteil ganz im Sinne des Gläubigerschutzes. Demnach können Schuldner nicht nur aufgrund einer längeren Periode ohne Vollstreckungsversuche davon ausgehen, dass ihre Gläubiger die offenen Forderungen überhaupt nicht mehr vollstrecken wollen.
Der Gläubiger verwirkt einen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch nicht allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch unternimmt.
Der Fall
Im konkreten Rechtsstreit ging es um eine Gläubigerin, die aus einem Mietverhältnis von 1993/94 titulierte Mietforderungen gegen zwei ihrer Mieter hatte. Den vorerst letzten Vollstreckungsversuch unternahm die Vermieterin im Jahre 1995 im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei ihrem Schuldner. Anschließend ruhte der Titel bis die Gläubigerin 2008 einen Inkassodienstleister mit der Realisierung der titulierten Forderung beauftragte.Der Schuldner, der inzwischen seit 13 Jahren nichts mehr von seiner alten Schuld gehört hatte, bestand nach dem Anschreiben durch den Inkassodienstleister darauf, die Schuld sei längst beglichen und die Forderung damit hinfällig. Im Anschluss strengte er eine Klage gegen seine Gläubigerin und ehemalige Vermieterin an, in der er die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung sowie die Herausgabe des Titels forderte. Mit dieser Klage hatte er vor dem zuständigen Oberlandesgericht (OLG) auch Erfolg.Das OLG vertrat in seiner Urteilsbegründung die Auffassung, die Gläubigerin habe durch ihre 13-jährige Untätigkeit in der Angelegenheit ihren Rechtsanspruch auf Vollstreckung der offenen Forderung verwirkt. Der Schuldner habe sich zu Recht „darauf eingerichtet […] und nach den gesamten Umständen auch darauf […]einrichten dürfen, dass die Gläubigerin ihre Rechte […] nicht mehr geltend machen werde.“
Titel bleiben gültig!
Zudem behauptete der Schuldner, die offenen Forderungen seien bereits ausgeglichen worden. Schriftliche Nachweise dazu konnte er nicht vorlegen. Jedoch bestand er darauf, die entsprechenden Nachweise seien nach Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist durch seinen Steuerberater vernichtet worden. Auch an Kontoauszüge von damals sei über seine Bank nicht mehr zu kommen.Im weiteren Verlauf der Angelegenheit legte nun die Gläubigerin ihrerseits Revision ein und die Angelegenheit ging zum Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter hoben das erste Urteil des Oberlandesgerichts auf, weil dessen „Ausführungen der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten“, wie es im Urteil heißt. Für die Gläubigerin bedeutet das, dass ihre titulierten Forderungen nach wie vor gültig sind und sie daher auch 13 Jahre nach Titelerwirkung noch das Recht hat, Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihren Schuldner durchzuführen.
Warum war das Recht auf Vollstreckung nicht verwirkt?
Der wichtigste Grund, warum die Gläubigerin ihren Rechtsanspruch gegen den Schuldner nicht verwirkt hat, ist, dass es „insgesamt an einem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment“ fehlt. Als rechtliches Umstandsmoment würde widersprüchliches Verhalten des Rechteinhabers gelten, das darauf schließen lässt, dass dieser sein Recht nicht mehr ausüben will und wird. Nach Auffassung der Karlsruher Richter stellt allein der 13-jährige Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen bzw. –versuche kein hinreichendes Umstandsmoment dar.Insofern hätte es beispielsweise einer expliziten Erklärung durch die Gläubigerin bedurft, dass sie die offene Forderung nicht weiter verfolgen möchte. Dann hätte der Schuldner zu Recht davon ausgehen können, dass sich die ganze Angelegenheit erledigt hat.Nach Auffassung des BGH zeigte allein die Titulierung der Forderungen schon an, dass die Gläubigerin ein weitreichendes Interesse an der Verfolgung ihrer offenen Mieteinnahmen hatte. „Bei dieser Ausgangslage liegt die Annahme [des Schuldners], ein [an die Titulierung] anschließendes Ruhen der Angelegenheit könne bedeuten, der Gläubiger wolle den Anspruch endgültig nicht mehr durchsetzen, umso ferner.“Allein schon durch die Titulierung selbst können Schuldner also nicht von einem „vertrauensbegründenden Verhalten“ ihres Gläubigers ausgehen. D.h., dass die Strahlkraft eines Titels über die Absicherung der Forderung selbst auch gegen das Verwirken des eigenen Rechtes zur Durchsetzung der Forderung absichert.
Titel sichern Forderungen gleich doppelt ab!
Schließlich ist die Argumentation des Schuldners, er sei von einer Verwirkung des Vollstreckungsrechtes durch die Gläubigerin ausgegangen und habe daher die Belege für seine behauptete Schuldablösung vernichtet, nicht schlüssig. Die Vernichtung seiner Akten sowie den Verzicht auf Belegsduplikate hat der Schuldner schlussendlich selbst zu verantworten. Seine Vertrauensannahme in den Verwirkungswillen seiner Gläubigerin beruht mithin nicht einmal auf Gründen aus dem Wirkungsradius seiner ehemaligen Vermieterin.
Gläubigerrechte gestärkt & Schuldnerpflichten geklärt
Das BGH-Urteil stärkt ganz deutlich die Rechte von Gläubigern und die Bedeutung von Vollstreckungstiteln. Es zeigt: 30 Jahre bedeuten auch tatsächlich 30 Jahre. Nach wie vor sind Titel also das beste Mittel, um offene Forderungen gegen die drohende Verjährung abzusichern. Zudem sind diese abgesicherten Forderungen auch wirklich nach mehreren Jahren noch vollsteckbar. Mit dem BGH-Urteil kann die Gläubigerin ihren gültigen Titel durchsetzen und die offenen Mieten von 1993/94 realisieren.Auch für Schuldner hat das Urteil Signalcharakter, weil es sie zu sorgfältigem Umgang mit dem eigenen Schriftverkehr mahnt. Hätte der Schuldner im vorliegenden Fall nämlich tatsächlich schon vor Jahren die offene Schuld beglichen und dies auch nachweisen können, wäre der Fall anders für ihn ausgegangen. Da er seine Behauptung, bezahlt zu haben, aber nicht beweisen kann, zahlt er nun im Zweifel doppelt.
Fazit
Im Forderungsmanagement zahlen sich Geduld, Beharrlichkeit und Konsequenz aus. Das zeigt das Urteil aus Karlsruhe ganz deutlich. Wer zudem noch Wert auf Ordnung legt und den Mut hat, zu seinen Rechten zu stehen, muss auf keine Forderung verzichten!