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Gesetzesreform der Privatinsolvenz – so nutzen Gläubiger ihre Chancen richtig
31/07/2014

Gesetzesreform der Privatinsolvenz – so nutzen Gläubiger ihre Chancen richtig

Das reformierte Insolvenzrecht ist nun genau 30 Tage alt. Auf den ersten Blick scheinen hier vor allem Schuldnerrechte im Mittelpunkt des gesetzgeberischen Aktionismus zu stehen. Dabei lohnt sich ein Blick in die Details: Auch Gläubiger können vom neuen Insolvenzrecht profitieren. In diesem Blogbeitrag zeigen wir die wichtigsten Neuerungen und wie Gläubiger diese geschickt für sich nutzen können.

Die grundsätzliche Schwierigkeit bei Privatinsolvenzen ist die Bewertung der unterschiedlichen Interessengewichtungen. Schuldner hoffen auf einen schnellen wirtschaftlichen Neuanfang, Gläubiger möchten ihren Waren- bzw. Dienstleistungseinsatz möglichst umfangreich erstattet wissen. Der erste Weg führt dazu häufig über einen Inkassodienstleister, der die offene Forderung realisiert und nötigenfalls absichert. Mit fast einem Dutzend Anpassungen am bestehenden Insolvenzrecht von 1999 wird dieser Interessenkonflikt nicht ausgeräumt, wesentliche Anpassungen sorgen aber für eine Annäherung. Die wichtigsten Neuerungen sind dabei folgende:

Abschaffung des Bankenvorzuges

Bis dato genossen Banken, die naturgemäß immer die älteste Forderung gegen einen Schuldner hatten, ein Vorzugsrecht bei Gehaltsabtretungen. Das bedeutete in der Vergangenheit, dass alle anderen Gläubiger mit ihren offenen Forderungen hinten anstehen mussten, bis die Forderungen der Bank bedient oder jedenfalls anteilsmäßig bedient waren.

Diese Regelung fällt nun weg und alle Gläubiger eines Schuldners werden gleichzeitig aus dem pfändbaren Anteil seines Gehaltes bedient. Diese Regelung bedeutet eine Stärkung der Rechte aller Gläubiger mit berechtigten Ansprüchen.

⇒ Gläubiger kommen früher zu mehr Geld

Frühere Arbeitsaufnahme des Schuldners

Nach der alten Regelung mussten insolvente Schuldner erst ab Beginn ihrer Wohlverhaltensperiode, also nach der Insolvenzeröffnung, eine Arbeitsstelle suchen. Dadurch standen logischerweise auch erst später Gehälter und damit pfändbare Anteile zur Verfügung, wenn insolvente Schuldner bis dahin keiner geregelten Arbeit nachgegangen waren. Und das Verfahren wurde aus Gläubigersicht um wertvolle Monate, in denen nicht gepfändet werden konnte, verkürzt.

Nun sind Schuldner verpflichtet, sich Arbeit zu suchen und zwar schon ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dadurch wird nicht nur der Zugriff auf Pfändungsanteile durch Gläubiger eher möglich, auch aus sozialpädagogischer Sicht ergibt die Verschärfung durchaus Sinn: Der Schuldner, der sich (in den meisten Fällen) selbst in die Situation einer Privatinsolvent manövriert hat, muss sich auch selbst wieder daraus befreien.

⇒ Schuldnerengagement wird früher eingefordert

Pfändungsbeschränkung für Mietgenossenschaftsanteile

Was bisher schon übliche Praxis war, ist nun auch rechtlich abgesichert: Insolventen Schuldnern werden ihre Mietgenossenschaftsanteile gelassen und zwar bis zu einer Höhe von 2.000 EUR. Schon vor der Gesetzesreform setzten sich Insolvenzverwalter und Schuldnerberater speziell dafür ein, ihren Schützlingen den angestammten Wohnraum zu erhalten.

Dies ist tatsächlich im Interesse aller, auch der Gläubiger. Sich eine (neue) Arbeit zu suchen und damit seine in Schieflage geratenen Finanzen in Ordnung zu bringen, gestaltet sich leichter, wenn die eigene Homebase als Rückzugsort erhalten bleibt. Schuldnern wird so nicht komplett der Boden unter den Füßen weggezogen und die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Neuanfang werden bestmöglich geschaffen. Stabile Lebensumstände von Schuldnern bedeuten also auch einen Gewinn für deren Gläubiger, weil die Chancen für eine Sanierung der Schuldnerfinanzen steigen.

⇒ Schuldnerlebensgrundlage gesetzlich abgesichert

Verkürzung der Wohlverhaltensperiode

Die Wohlverhaltensperiode, also die Zeitspanne in der insolvente Schuldner keine neuen Schulden machen dürfen und zudem alle pfändbaren Einkommensanteile an ihre Gläubiger abgeben müssen, wurde auf drei bzw. fünf Jahre verkürzt. Zuvor dauerte es mindestens sechs Jahre, bis in Privatinsolvenz befindliche Schuldner mit der Restschuldbefreiung rechnen konnten und wieder vollständig rehabilitiert waren.

Die dramatische Verkürzung dieser Periode bringt für Gläubiger Vor- und Nachteile. Einerseits wurden im alten Zeitraum höhere Tilgungsquoten von 50% und mehr erreicht, einfach, weil Schuldner mehr Zeit hatten, ihren Schuldenstand abzubauen. Dies war für Gläubiger insofern erfreulich, weil sie zumindest – wenn auch über mehrere Jahre – einen guten Teil ihrer offen Forderung zurückerhielten. Auch der finanzerzieherische Aspekt der längeren Wohlverhaltensperiode trug seinen Teil zur moralischen Rehabilitierung des Schuldners bei.

Auf der anderen Seite sind Schuldner, die die 35%-Hürde doch meistern, früher wieder in der Lage, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Gesetzesanpassung würdigt also ein hohes Eigenengagement von Schuldnern, sodass auch nur solche Schuldner von der Dreijahres-Regelung profitieren, die echtes Interesse am Schuldenabbau zeigen. Wenn solche Schuldner, die eine hohe Zahlungsmoral über drei Jahre bewiesen haben, wieder am wirtschaftlichen Leben teilnehmen können, kann dies einen Mehrwert für die Volkswirtschaft bedeuten. Offene Rechnungen werden dann konsequent beglichen.

⇒ Wer sich Mühe gibt, wird belohnt

Fazit

Insgesamt wurden mit der Gesetzesreform des Privatinsolvenzrechts die Interessen von Gläubigern gestärkt. Das neue Gesetz ist fairer und zwar gegenüber Gläubigern und Schuldnern. Es stellt alle Gläubiger gleich und belohnt engagiertes und eigenverantwortliches Handeln auf Schuldnerseite.